Inhalte und Bedeutng
Das Studium der Ägyptologie in Deutschland Das Fach Ägyptologie beschäftigt sich mit sämtlichen Aspekten, Formen und Lebensäußerungen der altägyptischen Hochkultur: Archäologie, Philologie, Kunstgeschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte und Religionswissenschaft. Auch die Geschichte und Sprache der Kopten sowie des heutigen nördlichen Sudans (Nubien) gehören zur Ägyptologie. Die Geschichte des Alten Ägypten erstreckt sich somit über einen Zeitraum vom 4. Jahrtausend v. Chr., der neolithischen Entstehungsphase der ägyptischen Kultur, bis zur arabischen Eroberung im 7. Jahrhundert n. Chr.
How do I become an Egyptologist? (N. Strudwick)
Inhalte und Erfahrungen
Können Sie Hieroglyphen lesen? Wie war das denn mit den Pyramiden? Und die Mumien? Das sind die unweigerlich ersten Fragen, die jeden Studierenden treffen, sobald er oder sie sich als angehenden Ägyptologen „geoutet" hat. Die Reduzierung einer der frühesten Hochkulturen der Menschheit auf diese drei Begriffe - Hieroglyphen, Pyramiden und Mumien - wird schon in den Schulbüchern gepflegt und moderne pseudo-wissenschaftliche „Sachbücher", Romane und Filme verstärken noch diese Klischees (nicht zuletzt, da sie gut von ihnen leben).
In Wirklichkeit ist die Lehre vom Alten Ägypten ein universelles Studium wie kaum ein anderes. Die Ägyptologie beschäftigt sich mit den gesamten Lebensäußerungen der altägyptischen Kultur von der Jungsteinzeit bis zur Hochblüte Ägyptens. Aber auch die lange Zeit des Niedergangs, in der die Menschen immer wieder um die Herstellung der alten, vergangenen Ordnung rangen, steht im Blickpunkt der Ägyptologie. Sie erstreckt sich bis in die griechisch-römische Zeit in Ägypten, und sogar bis in die frühchristliche, d.h. koptisch, Geschichte Ägyptens. Damit umspannt das Studium der Ägyptologie einen Zeitraum von nicht weniger als 4000 Jahren!
Nur die Beherrschung der Schrift und Sprache, samt deren Veränderungen im Laufe der Jahrtausende, vermittelt uns den Zugang zur Kunst, Geschichte, Religion und Literatur, aber auch zur Sozial-, Wirtschafts- und Rechtsgeschichte der Alten Ägypter. Die Herausforderung, sich in einer fremden Kultur zu orientieren, andersartige Normen und Werte in ihrer Entstehung und Funktion zu verstehen, ist dabei ein Problem von weltweiter Aktualität.
Können Sie Hieroglyphen lesen? Eben da der Schrift im Alten Ägypten eine so bedeutende Rolle zukam (die Ägypter selbst nannten sie „Gottesworte"), gehört das Erlernen der Schrift zu den wichtigsten Bestandteilen des Studiums. Die Anfänge der Schrift gehen bis in die Zeit um 3200 vor Christus zurück. Ihre klassische Form findet sie etwa 1300 Jahre später in der Epoche des sog. Mittleren Reichs. Zur Niederschrift von Texten verwendeten die Ägypter Hieroglyphen jedoch nur, wenn es um monumentale, bedeutende Inschriften ging, die in Stein gemeißelt wurden (daher der Name Hieroglyphen für „heilige Eingrabungen").
Wegen ihres bildhaften Aussehens waren die Hieroglyphen dagegen ungeeignet, wo ein schneller Schreibstil gefragt war wie in der Verwaltung und im Geschäftsleben. So entwickelten die ägyptischen Schreiber schon früh eine parallele Schreibart, das Hieratische, das die Hieroglyphen auf wenige Striche reduzierte. Heutige Studierende lernen zuerst einmal Hieroglyphen lesen und schreiben, um sich danach in das Hieratische hineinzufinden, das aufgrund individueller Handschriften sehr unterschiedlich aussehen kann. Die altägyptischen Schüler dagegen gingen nach dem umgekehrten Prinzip vor.
Im Laufe der Jahrhunderte entfernte sich die mittelägyptische Schrift soweit von der gesprochenen Sprache, dass die Alltagstexte wie Briefe oder Verwaltungsakten immer mehr mit Elementen der Umgangssprache durchsetzt wurden. Schließlich gab man dieser Entwicklung nach und verfasste im Neuen Reich sogar die literarischen Texte in neuägyptischer Schrift und Sprache (um 1200 vor Christus). Religiöse und königliche Inschriften wurden jedoch weiterhin in der klassisch-mittelägyptischen Schrift geschrieben, die die ägyptischen Schüler nun als eine Art Fremdsprache erlernen mussten.
Im 7. Jahrhundert vor Christus entwickelte sich aus dem Hieratischen das Demotische, die Alltagsschrift zur Zeit der Griechen und Römer in Ägypten. Trotzdem lebten sowohl die Hieroglyphen wie das Hieratische als Schrift fort.
Als letzte Schrift trat mit dem Siegeszug des Christentums im 3. und 4. Jahrhundert nach Christus das Koptische hinzu. Die demotische Schrift ging jedoch nicht völlig unter, sondern sieben demotische Buchstaben übernahm man in die neue koptische Schrift, die ansonsten mit griechischen Buchstaben geschrieben wurde. Die griechischen Buchstaben brachten eine für Ägypten völlig neue Möglichkeit: Erstmals wurden auch Vokale geschrieben! Bis dahin standen die Zeichen nur für einzelne Konsonanten oder Gruppen von Konsonanten. Im Deutschen würde dies bedeuten, dass man das Wort „lieben" als „lbn" schreiben würde, was ebenso gut „loben" oder „laben" bedeuten könnte. Um die Lesung der Wörter eindeutig zu machen, fügten die Ägypten stumme Lesehilfen hinzu; im Beispiel könnte dies das Zeichen eines Herzens sein. Es gab aber noch eine dritte Zeichenart, die Bedeutungszeichen, wodurch z.B. das Wort „Haus" durch den Grundriss eines Hauses geschrieben werden konnte.
Auf den ersten Blick scheint die ägyptische Schrift sehr isoliert im Geflecht der Sprachen zu stehen, in Wahrheit ist sie jedoch mit anderen afro-asiatischen Sprachen wie dem Arabischen, Hebräischen oder Somali verwandt. So kennt auch die arabische Schrift ursprünglich keine Vokale (heute werden sie durch Punkte über den Konsonantenzeichen angedeutet).
Das Koptische als die jüngste ägyptische Schrift wurde schließlich im 7. Jahrhundert durch die arabischen Eroberer Ägyptens verdrängt. Die christlichen Ägypter pflegten jedoch die koptische Schrift und Sprache noch bis ins 18. Jahrhundert und in der christlichen Kirchenliturgie lebt es bis heute. Selbst das heute in Ägypten gesprochene Arabisch enthält noch "Reste" der pharaonischen Sprache.
Auch in der europäischen Kultur der Gegenwart hat die Sprache des Alten Ägypten ihre Spuren hinterlassen; so geht z.B. der Name „Miriam" auf den altägyptischen Namen „meri(t)-en-imen", „Geliebte des Amun" oder „Susanne" auf „seschen", „Lotusblume" zurück. Ebenso hat sich der moderne ägyptische Ortsname „Memphis" aus dem altägyptischen „men-nefer" entwickelt.
Wie war das denn mit den Pyramiden? Und die Mumien? Zweifellos zählen die großen Pyramiden zu den beeindruckendsten Denkmälern des Alten Ägypten. Dennoch sind die Pyramiden, die im Alten Reich (ca. 2650 bis 2150 vor Christus) erbaut wurden, aus ägyptologischer Sicht nur der steinerne Ausdruck einer Epoche, in der sich erstmals ein fest strukturiertes Staatswesen bildete, erste religiöse und literarische Werke entstanden, Kunst und Kultur einen ersten Höhepunkt erreichten. Auch standen die Pyramiden nicht isoliert in der Wüste, sondern ein Totentempel, ein Aufweg und ein Taltempel am Nilufer waren ihnen angegliedert. Um die Pyramiden herum lagen die Gräber der höchsten Staatsdiener, die auch im Jenseits die Nähe ihres Königs suchten. (Dass ägyptische Würdenträger lebendig dem verstorbenen König ins Grab folgten oder zu seiner Versorgung getötet wurden, gibt es erst in modernen Romanen und Spielfilmen!)
Auch die Mumien verraten nichts über ihren Sinn, wenn man sie isoliert betrachtet. Die Ägypter ließen sich mumifizieren, um ihre Körper für das Jenseits zu konservieren. Denn dort wollten sie ihr weiteres Leben genauso verbringen wie im Diesseits, nur noch angenehmer und mit weniger Arbeit. So heißt es in der „Lehre für Hordjedef": „Mache Dir ein schönes Grab in der Nekropole, ... (denn) das Haus des Todes ist für das Leben". Doch in späteren sog. Harfnerliedern finden sich auch skeptische Gedanken: „Feiere einen Festtag und werde dessen nicht müde! Bedenke: Niemandem ist es gegeben, seine Habe mit sich zu nehmen. Bedenke: Niemand, der fortgegangen ist, kehrt zurück!". Gerade die Mumien gehören den Ägyptologen heute jedoch nicht mehr alleine, sondern an ihrer Erforschung sind ebenso Biologen, Chemiker, Mediziner und Informatiker beteiligt.
Die Ägyptologie beschäftigt sich darüber hinaus nicht nur mit Ägypten selbst, sondern auch mit der Übernahme ägyptischen Gedankenguts in die heutige Welt. Schon die klassischen Autoren wie wohl auch der Mathematiker Pythagoras waren in Ägypten, um ihr Wissen zu vermehren und im eigenen Land zu lehren. Auch in der Bibel fühlt sich der Ägyptologe bei Psalm 104,24 („Du (o Herr) hast sie (die Werke) alle in Weisheit geschaffen, die Erde ist voll deiner Güter.") unwillkürlich an den „Sonnengesang des Echnaton" (um 1400 vor Christus) erinnert („Wie zahlreich sind deine Werke ...; du hast die Erde geschaffen nach deinem Wunsch, ... mit Menschen, Vieh und allem Getier."). Auch Teile der Sprüche (22,17-23,11, z.B. „Mache nicht Freundschaft mit dem Zornmütigen, mit dem Jähzornigen gehe nicht um.") sind aus der neuägyptische „Lehre für Amenemope" („Schließe keine Freundschaft mit dem Heißblütigen, nähere dich ihm nicht zum Gespräch.") entlehnt.
Die Alten Ägypter haben aber auch in unserem täglichen Leben ihre Spuren hinterlassen. So geht unsere Einteilung des Tages in 12 Nacht- und Tagstunden, die keinesfalls naturgegeben ist, auf ihre Erfindung zurück. (Weiter teilten sie das Jahr in 12 Monate zu 30 Tagen plus 5 zusätzliche Feiertage. Unsere 7-tägige Woche geht dagegen auf jüdische Tradition zurück.)