Das Hundegrab (O11.13)
Im antiken Assiut waren zwei canidengestaltig dargestellte Gottheiten von herausragender Bedeutung: Upuaut und Anubis. Upuaut war der Stadtgott und damit der Hauptgott; Anubis war der Herr der westlich der Stadt, am Wüstenrand gelegenen Nekropole. Beiden Göttern war jeweils ein Tempel geweiht. Der Upuaut-Tempel liegt modern überbaut im Zentrum der heutigen Altstadt in mehreren Metern Tiefe. Die Lokalisierung des Anubis-Tempels ist nicht exakt geklärt, er war vermutlich am Fuß des Gebel Assiut al-gharbi errichtet worden.
Der Kult der beiden Gottheiten ist vom Alten Reich bis in Römische Zeit bezeugt. Sie wurden zumeist als Caniden dargestellt, selten als Menschen mit Canidenkopf.
In Verbindung mit dem Kult der beiden Gottheiten sind zwei Bestattungsplätze für Caniden auf dem Gebel Assiut al-gharbi bekannt (Abb. 1-2). Zum einen handelt es sich um das Grab des Gaufürsten Djefai-Hapi III. (12. Dynastie), das sog. Salakhana-Grab, in welchem im Jahre 1922 Votivgaben des Neuen Reiches und der Spätzeit gefunden wurden. Dieses Grab liegt auf der geologischen Stufe 2 des Gebel Assiut al-gharbi unmittelbar beim heutigen Militärlager. Zum andern handelt es sich um das vom The Asyut Project als Hundegrab bezeichnete Galeriegrab (O11.13; Abb. 3-4) auf der geologischen Stufe 4 des Gebel Assiut al-gharbi. Dieses Grab war nur aus einem Reisebericht von Heinrich Brugsch (1853) bekannt (Heinrich Brugsch, Reiseberichte aus Aegypten. Geschrieben während einer auf Befehl Seiner Majestät des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preussen in den Jahren 1853 und 1854 unternommenen wissenschaftlichen Reise nach dem Nilthale (Leipzig 1855), 101-102), konnte aber Dank lokaler Informanten sowie eines Oberflächensurveys durch das deutsch-ägyptische The Asyut Project im Jahre 2008-2009 wieder lokalisiert und in den folgenden Jahren teilweise von dem mehrere Meter hoch anstehenden Schutt befreit werden.
Dabei wurde ein moderner Grabräubereingang freigelegt, über den der Zugang in das Grab möglich war. Der hierbei angeschnittene Bereich des Grabes besteht aus einem in Nord-Süd-Richtung verlaufenden Korridor von 22 m Länge und 4,2 + x m Höhe, von dem drei verschüttete Gänge in Richtung Osten abzweigen. Ein weiterer Gang (5,05m lang, 1,45 m breit, 2,45 + x m hoch) führt nach Westen in eine ca. 12,5 m x 8,2 m große innere Halle (Abb. 5), deren Höhe 4,4 + x m beträgt. Aufgrund herabhängender Deckenstücke, ständig nachrutschenden Schuttes und starken Schimmelbefalls waren die Arbeiten in dem Grab nur unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen möglich. Seit 2016 ist das Grab durch einen von Grabräubern verursachten Erdrutsch wieder komplett verschüttet, so dass die archäologischen Arbeiten nicht fortgesetzt werden konnten.
Bedingt durch eine längere Nutzungsphase sowie durch Grabraub (das Hundegrab ist auch in einem arabischen Schatzsucherbuch, dem Livre des perles enfouies et du mystère précieux au sujet des indications des cachettes, des trouvailles et des trésors erwähnt) sind die Bestattungen im Innern des Grabes massiv gestört. Mumienreste mit Bandagen sowie (unbandagierte) Skelettreste liegen in dicken Schichten übereinander. Die höchste Konzentration von Tierresten ist dabei in der inneren Halle feststellbar. Bei der überwiegenden Mehrzahl der bestatteten Tiere handelt es sich um Caniden. Neben Tier(rest)en kamen insbesondere Keramik und demotische Ostraka im Grab zu Tage.
Die Tierknochen aus dem Hundegrab wurden von 2008 bis 2015 analysiert (Kitagawa, Chiori, mit Beiträgen von Jochem Kahl und Günter Vittmann, The Tomb of the Dogs at Asyut: Faunal Remains and Other Selected Objects (The Asyut Project 9), Wiesbaden 2016). Hunde stellen die vorherrschende Tierart in dem gefundenen Material, wobei in Einzelfällen auch Knochen des Afrikanischen Wolfes in dem Material enthalten sein können (dies zu klären, bedarf einer DNA-Analyse). Die meisten Hunde waren mittelgroß (geschätzte Schulterhöhe: ca. 40-60 cm). Es gab auch in geringer Anzahl kleinere (weniger als 40 cm Schulterhöhe) und größere Individuen (mehr als 60 cm Schulterhöhe). Das Sterblichkeitsmuster zeigt, dass die Hunde in unterschiedlichem Alter gestorben sind. Junge Individuen treten überproportional häufig im osteologischen Material auf. Pathologien (z.B. Traumata, Krankheiten im Mundraum und metabolische Erkrankungen) wurde in 1-3 % der untersuchten Hundeknochen beobachtet (Abb. 6). Andere Säugetierarten wie Fuchs und Katze sind nur in geringer Anzahl im Material vorhanden. Auch Vögel (insbesondere Ibisse) und Krokodile sind aus dem Hundegrab belegt.
Nur wenige vollständige Tiermumien sind erhalten. Es sind Caniden-, Katzen- und Ibismumien belegt (Abb. 7-8). Während manche Tiere einbalsamiert wurden, erhielten andere keine spezielle Behandlung. Auch gibt es keinen eindeutigen Beleg für Eviszeration. Die meisten mumifizierten Tiere sind in einfache Binden gewickelt, nur selten sind Muster bei der Bindung erkennbar. In dem gestörten Grab konnten Reste eines Hundesarges geborgen und wieder zusammengesetzt werden. Seine Außenseiten sind dekoriert, seine Innenseiten mit Bitumen überzogen (Abb. 9). Manche Hundemumien wurden offensichtlich in Gips gehüllt, wobei ein Teil der Gipshülle dann – soweit erhalten – die Form einer Hundeschnauze erhalten konnte (Abb. 10).
Die im Grab gefundene Keramik deutet auf eine Nutzung des Hundegrabes von der 26. Dynastie bis in römische Zeit (Teodozja I. Rzeuska, Chronological Overview of Pottery from Asyut. A contribution to the history of Gebel Asyut al-gharbi (The Asyut Project 7), Wiesbaden 2017, 491-625). Über 60 im bzw. beim Hundegrab gefundene demotische Ostraka enthalten Namenslisten und Abrechnungen (Abb. 11). Sie können mehrheitlich in die zweite Hälfte des 2. Jhdts. v. Chr. datiert werden (vgl. Günter Vittmann, Demotische Ostraka aus dem „Hundegrab“ in Assiut: ein Vorbericht, in: Chiori Kitagawa, The Tomb of the Dogs at Asyut. Faunal remains and Other Selected Objects (The Asyut Project 9), Wiesbaden 2016, 149-163).
Während die Lebensräume der im Grab niedergelegten Tiere in Assiut archäologisch bislang nicht nachweisbar sind, nennen Schriftquellen des Neuen Reiches bereits einen „Schreiber des Landguts der Caniden im Haus (= Tempel) des Upuaut, des Herrn von Assiut“. Stelen des Neuen Reiches aus dem sog. Salakhana Grab (Terence DuQuesne, The Salakhana Trove: votive stelae and other objects from Asyut (Oxfordshire Communications in Egyptology 7), London 2009) zeigen Gruppen von Caniden, die offensichtlich gemästet wurden. Ein Papyrus aus ptolemäischer Zeit erwähnt einen Fütterungsplatz für Ibisse.
(Chiori Kitagawa)
Bibliographie des The Asyut Project (in chronologischer Reihenfolge):
Veröffentlichungen zum Hundegrab:
- Rzeuska, Teodozja I. , Chronological Overview of Pottery from Asyut. A contribution to the history of Gebel Asyut al-gharbi (The Asyut Project 7), Wiesbaden 2017, 491-625.
- Kitagawa, Chiori, mit Beiträgen von Jochem Kahl und Günter Vittmann, The Tomb of the Dogs at Asyut: Faunal Remains and Other Selected Objects (The Asyut Project 9), Wiesbaden 2016.
- Kitagawa, Chiori, Tomb of the Dogs in Gebel Asyut al-gharbi (Middle Egypt, Late to Ptolemaic/Roman Period): preliminary results on the canid remains, in B. De Cupere, V. Linseele & S. Hamilton-Dyer (Hgg.), Archaeozoology of the Near East X: Proceedings of the Tenth International Symposium on the Archaeozoology of South-Western Asia and Adjacent Areas, Brussels 2013, 343-356.
- Kahl, Jochem, Die Zeit selbst lag nun tot darnieder, Die Stadt Assiut und ihre Nekropolen nach westlichen Reiseberichten des 17. bis 19. Jh.s - Konstruktion, Destruktion und Rekonstruktion, (Deutsch und Arabisch) (The Asyut Project 5), Wiesbaden 2013, 122-123.
- Kahl, Jochem & Chiori Kitagawa, Ein wiederentdeckter Hundefriedhof in Assiut, in: Sokar 20, 2010, 77-81.
- Kitagawa, Chiori, Faunal Remains, in: Jochem Kahl, Mahmoud El-Khadragy, Ursula Verhoeven, Ahmed El-Khatib & Chiori Kitagawa, The Asyut Project: Sixth Season of Fieldwork (2008), in: Studien zur Altägyptischen Kultur 38, 2009, 122-129.
Andere Bibliographie:
- Brugsch, Heinrich, Reiseberichte aus Aegypten. Geschrieben während einer auf Befehl Seiner Majestät des Königs Friedrich Wilhelm IV. von Preussen in den Jahren 1853 und 1854 unternommenen wissenschaftlichen Reise nach dem Nilthale (Leipzig 1855), 101-102.
- DuQuesne, Terence, The Salakhana Trove: votive stelae and other objects from Asyut (Oxfordshire Communications in Egyptology 7), London 2009.