Wissenschaftliches Werk und Bedeutung
Die Dokumente zur Technik des traditionellen Töpferhandwerks in Ländern des Mittelmeers sind Ergebnisse langjähriger Forschungen des Heidelberger Archäologen Roland Hampe.
Wissenschaftliches Werk
In seiner Zeit, in der die Klassische Archäologie weitgehend auf kunst- und stilgeschichtliche Fragen ausgerichtet war, hat Hampe in verschiedenen Richtungen neue Wege beschritten, die später Bestätigung finden sollten.
Ein zentrales Arbeitsfeld Hampes war die Ikonographie der griechischen Bildkunst. Das entsprach seinem Interesse für die Kulturgeschichte der Antike im weitesten Sinn. Antike Literatur hat er in starkem Umfang in seine Forschungen einbezogen, die historischen Rahmenbedingungen der antiken Kultur und Kunst spielten eine entscheidende Rolle.
Besonders wegweisend war Hampes Interesse für Mythologie und Religion. Er hat früh erkannt, welche Bedeutung die Mythologie und insbesondere die Bilderwelt der Mythen für die griechische und römische Kultur besaßen. Seit den 1960er Jahren hat er begonnen, ein „Mythologisches Bildarchiv“ zu erarbeiten, seit 1970 war er einer der Begründer des internationalen Projekts „Lexicon Iconographicum Mythologiae Classicae“ (LIMC), dessen Heidelberger Arbeits-stelle, finanziert von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, er bis 1981 leitete.
Die frühen Traditionen der Mythen und der Religion haben Hampes Interesse früh auf die Kulturen von Kreta und Mykene gelenkt. Ihm ist es zu verdanken, dass das Heidelberger Institut den einzigen fest eingerichteten Schwerpunkt in der bronzezeitlichen Archäologie der Ägäis hat.
Mit einem ausgeprägten Sinn für Literatur und Dichtung hat Hampe nach der Emeritierung Homers Ilias und Odyssee in Versform ins Deutsche übersetzt (erschienen im Reclam-Verlag). Aus dem Neugriechischen hat er mehrere Romane übertragen, u.a. Elias Venesis, „Äolische Erde“. Allgemein war er stark an den mediterranen Volkskulturen der Gegenwart interessiert, in denen er Traditionen der Antike fortleben sah.
Forschungen zur Technik traditioneller Keramikherstellung
Roland Hampe hat der Erforschung der antiken Keramik, der häufigsten und besonders signifikanten Fundgruppe der griechischen und römischen Kultur, wichtige neue Anstöße gegeben, indem er die technischen Aspekte der Produktion in den Blick rückte. Das war in den 1950er und 1960er Jahren, als die internationale Forschung vor allem bestrebt war, den Stil individueller Vasenmaler zu bestimmen, ein ungewöhnlicher Weg. Hampe ging eine Zusammenarbeit mit dem Keramikbildhauer Adam Winter (Mainz) sowie dem Chemiker Ulrich Hofmann (Universität Heidelberg) ein. Das Projekt wurde von der Heidelberger Akademie der Wissenschaften finanziert.
Hampes wichtigste Erkenntnis bestand darin, dass zu seiner Zeit Töpfereien in Süditalien, auf Kreta und auf Zypern noch Techniken und Arbeitsweisen der Antike bewahrt hatten. Da diese Arbeitsweisen zugleich bestimmte Strukturen der Werkstätten und ihre Lebensweisen bestimmten, war dies ein ganzer sozialer Mikrokosmos, der in Aktion zu beobachten war. In ausgedehnten Reisen zu meist abgelegenen Gebieten dieser Länder unternahm Hampe es, zusammen mit Winter diese Töpfer aufzusuchen und ihre Arbeit zu dokumentieren. Er war sich dabei bewusst, dass dies die letzte Gelegenheit vor dem Aussterben dieser Techniken angesichts der fortschreitenden Industrialisierung war.
Wenn er dabei zeitgenössische Relikte alter Traditionen systematisch erforschte, um Einblick in historische Verhältnisse zu gewinnen, so beschritt er damit weitsichtig einen Weg, der sonst in der historischen Forschung noch kaum anerkannt war. Die beiden Bücher, zusammen mit Adam Winter verfasst, „Bei Töpfern und Töpferinnen in Kreta, Messenien und Zypern“ (1962) und „Bei Töpfern und Zieglern in Süditalien, Sizilien und Griechenland“ (1965) sind damit nicht nur wichtige Schritte zur Rekonstruktion antiken Techniken, sondern zugleich eine höchst bedeutende ethnologische Dokumentation von Lebensformen, die bis vor kurzem noch existierten. Vom Abbau und der Aufbereitung der Töpfererde über die Verfeinerung des Materials, die Techniken des Formens, das Einholen des Holzes, den Aufbau der Brennöfen, die Geschicklichkeit und Geistesgegenwart beim Brennen werden komplexe Arbeitsvorgänge festgehalten; darüber hinaus werden die hierarchische Arbeitsteiligkeit, die Formen des Wohnens und Wanderns, das Verhältnis der Handwerker zu den dörflichen Gemeinden in Bildern von hoher Lebendigkeit gezeichnet.
Gleichzeitig unternahm Adam Winter Versuche, antike Brenntechniken zu rekonstruieren, indem er antike Brennöfen nachbaute und mit entsprechenden Materialien wie in der Antike arbeitete; auf diese Weise suchte er mit selbst getöpferten Gefäßen aus verschiedenen Erden die Brennverfahren und Farbwirkungen griechischer Glanztonkeramik und römischer Terra sigillata zu rekonstruieren. Sein Band „Die antike Glanztontechnik. Praktische Versuche“ (1978) ist ein Meilenstein der „experimentellen Archäologie“. Ulrich Hoffmann führte ergänzend elektronenmikroskopische und chemische Analysen an antiken Keramiken durch. Die von Hampe initiierte interdisziplinäre Zusammenführung archäologischer, ethnologischer, naturwissenschaftlicher und praktischer Arbeitsweisen und Methoden war damals im hohen Maß innovativ und hat ihre volle Wirkung erst im Lauf der Zeit erreicht.
Prof. Dr. Tonio Hölscher, Dezember 2009