Archäologie als (Be-)Siedlungsgeschichte
Von der Akademieschrift von 1941 einmal abgesehen, werden Wahles von ihm selbst so verstandene Hauptwerke heute kaum mehr rezipiert. Sie sind, was angesichts ihrer Entstehungszeit wenig verwunderlich ist, mittlerweile sachlich überholt. Der spezifische Ansatz, Vorgeschichte im Stile der Geschichtsschreibung des 19. Jahrhunderts zu betreiben, hat sich als Sackgasse erwiesen, wobei man nicht übersehen sollte, dass zu dieser Erkenntnis Wahle selbst einen wichtigen Beitrag geliefert hat. Insofern ist aber seine eigentliche Leistung schwer und allenfalls indirekt zu fassen, zumal es bislang keine eigentliche Wissenschaftsgeschichte des Faches gibt. Hinzu kommt, dass Wahle keine „Schule“ gebildet hat, und ihm für eigene Forschungsvorhaben Mittel und Zeit fehlten. Zweifelsohne hat er aber den Verwissenschaftlichungsprozeß einer zunächst vornehmlich deskriptiv arbeitenden „Germanischen Altertumswissenschaft“ in erheblichem Maße mitgestaltet und ihr damit den Weg zur akademischen Disziplin geebnet. Mit dem Namen Wahles verbinden sich aber auch frühe Ansätze dessen, was heute unter dem Stichwort Siedlungs- oder Landschaftsarchäologie firmiert; obgleich er seine darauf abzielenden Arbeiten aus den genannten Gründen selbst nicht fortsetzten und vertiefen konnte, gehört er dennoch zu den Pionieren der prähistorischen Archäologie auf diesem Gebiet.
(Christian Gildhoff)