Die Casa Tarpeia – Erstes Gebäude des Instituto di Corrispondenza Archeologica
Dieses neue Lokal ward nun am 26. Januar durch den Generalsekretär, Hrn. Bunsen, in Gegenwart einer zahlreichen Versammlung Gelehrter, Künstler und Alterthumsfreunde aller Nationen, mit einer in französischer Sprache abgefaßten Rede eröffnet.– berichtete das Kunstblatt in der Maiausgabe von 1836 über die feierliche Eröffnung der Casa Tarpeia als neuen Sitz des Instituto di Corrispondenza Archeologica.
Zuvor war das Instituto, ein privater internationaler Verein von Gelehrten und Antikenliebhabern, in den Räumlichkeiten der Preußischen Gesandtschaft am Heiligen Stuhl untergebracht, dem Palazzo Caffarelli auf dem Kapitolinischen Hügel. Dafür sorgte Christian Carl Josias von Bunsen, Preußischer Gesandter und zugleich Gründungsmitglied und Generalsekretär des Instituto.
Der in der Antike politisch und insbesondere religiös so bedeutsame Hügel hatte in der Neuzeit an Bedeutung verloren, auch durch seine Lage am Rande der päpstlichen Hauptstadt. So gelang es Bunsen ohne größere Schwierigkeiten, weitere Liegenschaften u. a. für die rasch wachsenden Bestände des Instituts sukzessive anzumieten und zu erwerben. Er legte damit den Grundstein für ein Preußisches Ensemble auf dem römischen Kapitol, zu dem auch die Casa Tarpeia gehörte. Als problematisch wurde die Preußische Präsenz erst mit den wachsenden nationalistischen Bewegungen in Italien und Deutschland im Lauf des 19. Jahrhunderts empfunden. Dies führte schließlich zur Enteignung der Gebäude im Ersten Weltkrieg und zum Abriss der Casa Tarpeia im Jahre 1920 – lediglich die vermauerte Fassade wurde stehengelassen und ist bis heute sichtbar.
Seit einigen Jahren erforscht das Deutsche Archäologische Institut (DAI) zusammen mit der Sovrintedenza ai Beni Culturali Capitolina und den Musei Capitolini die archäologische und bauhistorische Geschichte des Kapitolinischen Hügels von der Antike bis in das frühe 20. Jahrhundert. Bei den jüngsten Ausgrabungen im Bereich des ehemaligen Gartens der Casa Tarpeia sowie des benachbarten protestantischen Hospitals kamen unter anderem Mauerfundamente der Westwand des Institutsgebäudes zu Tage.
Unter Bunsens Briefen, die im Archiv des DAI aufbewahrt werden, findet sich eine Tuschezeichnung, die den langen und schmalen Grundriss des Gebäudes skizziert. Die Zeichnung ist im Januar 1836 (Genn[aio] 1836) entstanden, also etwa zu der Zeit, in der die Eröffnungsfeier stattfand. Über den konkreten Zweck dieser Skizze lässt sich nur noch spekulieren, da der Kontext ihrer Entstehung nicht mehr bekannt ist. Sie könnte beispielsweise für Eduard Gerhard und/oder für Theodor Panofka erstellt worden sein. Beide Archäologen gehörten den römischen Hyperboreern an und waren Mitbegründer des Instituts im Jahre 1829, hielten sich aber 1836 nicht mehr in Rom auf und konnten deswegen an der Einweihung des neuen Gebäudes nicht teilnehmen.
Der bekannte Architekt Knapp aus Stuttgart richtete zu diesem Ende einen Saal von 90 Fuß Länge und 18 Fuß Breite ein, in dem nun theils die Sammlungen aufgestellt sind, theils die zahlreich besuchten Zusammenkünfte gehalten werden. – so das Kunstblatt weiter.
Johann Michael Knapp, der über zwei Jahrzehnte in Italien und speziell Rom verbrachte, um die antike und neuzeitliche Architektur zu studieren, entwarf die klassizistische Fassade der Casa Tarpeia als eine schlichte Tempelfront mit einem auf zwei Pfeilern in antis ruhenden Dreiecksgiebel. In der ursprünglich offenen Vorhalle standen, lagen und hingen antike Artefakte. Dieser Zustand ist auf historischen Fotografien und auf dem idealisierten Kupferstich auf dem Titelblatt der Monumenti Inediti festgehalten:
Ein Vorhof mit Porticus nach der Straße zu bilden den Eingang, wo Sarkophage, antike Inschriften, Tafeln, Fragmente alter, zum Theil an Ort und Stelle (dem Platze des großen Jupiter-Tempels) gefundener Denkmäler den Zweck und den Inhalt des Gebäudes ankündigen. – heißt es dazu im Kunstblatt.
Bunsen hatte, wie der damalige Bibliothekar des Instituts Emil Braun in einem seiner Briefe an Gerhard schreibt, „Bücherschränke und andere Geräthe […] alle selbst arrangirt“. Auf der Grundrisszeichnung finden sich handschriftliche Notizen zur Ausstattung der Räume. Diese bieten eine etwas konkretere Vorstellung vom Gebäudeinneren; dennoch geben die Zeichnung und Beschreibungen von Zeitgenossen lediglich eine grobe Idee der Ausstattung wieder.
Der lange schmale Bau ist in drei Räume aufgeteilt. In der Mittelachse des ersten Raumes befindet sich eine Reihe von breiten Schränken, von denen die zwei letzten mit Egitto (Ägypten) und Roma (Rom) bezeichnet sind. Links und rechts der Eingangstür sind entlang der Wände weitere Möbel aufgestellt, bei denen es sich wohl um Bücherschränke und Regale handelt. Die rechte Längswand (Westwand) ist mit zwei Fenstern zu dem angrenzenden Garten durchbrochen. Zwischen den beiden Fenstern steht untereinander „Gemmi Medaglie Pasti“ – offenbar waren dort die Gemmen, Münzen sowie Abdrücke untergebracht. Am hinteren Ende der linken Längswand (Ostwand) führt eine Tür nach Außen, dort befand sich die Casa Lelli, das protestantische Pfarrhaus.
Der zentrale Raum ist durch eine Tür und zwei schmale Fenster in der Westwand zum Garten geöffnet. Zwischen den Fenstern steht ein breiter Schrank mit den „Monumenti“. Bei den großformatigen Tafelwerken Monumenti inediti pubblicati dall'Instituto di corrispondenza archeologica handelte es sich um eines der frühen Periodica, die vom Institut herausgegeben wurden. In jeglicher Hinsicht zentral ist der große Tisch in der Raummitte mit den ihn umgebenden Stühlen. Dahinter ist in der Zeichnung vermutlich ein Piedestal zu erkennen, auf dem die Büste von Johann Joachim Winckelmann stand, der als geistiger Vater der Klassischen Archäologie und damit des Instituts galt. Noch heute wird am römischen Institut Winckelmanns Geburtstag mit einem Festvortrag – bei der sogenannten Winckelmann-Adunanz – gefeiert. Für die Adunanzen (Mitgliederversammlungen), bei denen antike Artefakte vorgestellt und über archäologische Themen diskutiert wurde, war dieser Raum vorgesehen.
In dem Artikel im Kunstblatt wird der Saal folgendermaßen beschrieben: Die Verzierungen des Saales sind, nach Angabe des Herrn Knapp, sehr geschmackvoll im Pompejanischen Styl ausgeführt. An den Wänden sind der ganzen Länge nach Schranke ausgestellt, welche die Bibliothek, die Sammlung der Kupferwerke, Münzen, Abdrücke von Gemmen, Vasen, Bronzen, Terracotten und sonstige Kunstschatze enthalten. Um den Versammlungstisch stehen die Büsten Winckelmanns (in der Mitte), Visconti's und Fea's, gegenüber Göthe's, zwischen Herder's und Thorwaldsen's, die Vereinigung deutscher und italienischer Kunst und Wissenschaft in Rom andeutend. Der Seitenthür gegenüber ist die Büste des erlauchten Beschützers ausgestellt.
Der „Protector“ oder – nach moderner Bezeichnung – Schirmherr des Instituts war der Kronprinz von Preußen, Friedrich Wilhelm IV, in dessen Beisein das neue Institutsgebäude feierlich eröffnet wurde.
Hinter dem Versammlungsraum schloss ein dritter und letzter, kleinerer Raum an. Entlang der Wände finden sich auch hier Schränke und Regale. Am interessantesten dürfte jedoch das große Fenster sein, das einen sehr schönen Blick auf das angrenzende Forum Romanum und den Palatin bis an die Albaner Berge geboten haben dürfte.