Der Bibliothekar
Mit der Ernennung zum Leiter der Handschriftenabteilung der Badischen Hof- und Landesbibliothek in Karlsruhe wurde Preisendanz auch die Bearbeitung der badischen Klosterhandschriften übertragen, namentlich die Katalogisierung der Reichenauer Handschriften und der Codices des Benediktinerklosters Ettenheimmünster. Hingegen scheint er in seiner kurzen Karlsruher Direktorenzeit keine größeren Projekte in Angriff genommen zu haben. Die Amtsgeschäfte waren ihm zunächst am 7. April 1933 kommissarisch übertragen worden, am 1. Februar des darauffolgenden Jahres erfolgte die offizielle Ernennung.
Wie bereits in Karlsruhe, so war auch in Heidelberg die Erschließung der Altbestände eines seiner wichtigsten Anliegen. Preisendanz bemühte sich um die Bearbeitung der neuzeitlichen Handschriften und die Erschließung der Einbände des 15. und 16. Jahrhunderts, die dann allerdings aufgrund des Krieges nicht mehr fortgeführt werden konnten. Auch gelang es, eine Reihe wissenschaftlicher Privatbibliotheken zu erwerben. Vorstöße von Preisendanz, die von der Kriegszerstörung verschont gebliebenen Handschriften der Karlsruher Landesbibliothek für Heidelberg zu übernehmen, scheiterten jedoch ebenso wie seine Bemühungen um Rückführungen des Pariser Teils der Anthologia Graeca oder gar der Palatina-Bestände der Vatikanischen Bibliothek in Rom.
Wie sehr der vermeintlich unpolitische Bibliotheksbetrieb Pressionen und Forderungen des NS-Regimes unterworfen war, zeigte sich gerade in der Amtszeit von Preisendanz deutlich. Dazu gehörte etwa die Separierung unerwünschter Literatur einerseits, die Anschaffung ideologisch konformer Veröffentlichungen bzw. dezidiert nationalsozialistischer Literatur andererseits. Zudem musste die Bibliothek ihre Geschäftsverbindung zu jüdischen Buchhändlern abbrechen, Juden selber wurde die Benutzung mehr und mehr eingeschränkt und schließlich vollständig verboten.
Mit dem Kriegsausbruch 1939 überlagerten die Sorgen um die Sicherung der Bestände mehr und mehr das Tagesgeschäft, das zudem durch die Einziehung zahlreicher Mitarbeiter zur Wehrmacht erheblich belastet war. Die wertvollsten Teile der Bibliothek mussten ausgelagert werden; ein nicht gerade einfaches Unterfangen, bemühten sich doch auch andere Bibliotheken, ihre Bestände in Sicherheit zu bringen und oft war nicht einmal klar, welche Standorte überhaupt als nicht oder weniger gefährdet gelten durften. Ob durch Umsicht, Geschick oder schlichtes Glück, von geringfügigen Verlusten abgesehen, gelang es Preisendanz, die Heidelberger Universitätsbibliothek nahezu unversehrt durch die Kriegsjahre zu steuern.