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Call for Papers: Die Gegenwärtigkeit der Urzeit. Bilder und Visionen prähistorischen Lebens vom 19. bis ins frühe 20. Jahrhundert

Avatar of Philipp Weiss Philipp Weiss - 25. Februar 2020 - Call for papers

Interdisziplinärer Workshop
Ur- und Frühgeschichtliche und Provinzialrömische Archäologie, Universität Basel
Landgut Castelen, Augst bei Basel, 11.+ 12.6.20

Die Gegenwärtigkeit der Urzeit. Bilder und Visionen prähistorischen Lebens vom 19. bis ins frühe 20. Jahrhundert

Darwins Evolutionstheorie, die Entdeckung fossiler Menschenfunde und nicht zuletzt archäologische Artefakte mit eingeritzten Zeichnungen ausgestorbener Tiere nährten im 19. Jahrhundert die wachsenden Zweifel am biblischen Geschichtsbild, das die Menschheitsgeschichte mit der Schöpfung beginnen ließ und ihr eine Dauer von rund 6000 Jahren zuschrieb. Galten bis dahin Adam und Eva als das erste Menschenpaar, stellte sich die Frage nach der eigenen Herkunft nun grundlegend neu. Mit zunehmender Akzeptanz der Evolutionstheorie wurden jetzt namenlose Urmenschen zu Vorfahren, deren materielle Hinterlassenschaften akribisch gesammelt wurden und den Grund-stock vieler Museen bildeten.

Doch die Artefakte in den Vitrinen blieben stumm und boten keinen unmittelbaren Zugang zu den Menschen, die sie hergestellt und benutzt hatten. Hinzu kam ein „ikonisches Vakuum“ – das heißt, die Absenz authentischer Bild-Zeugnisse prähistorischer Menschen von ihrem Leben. Als Reaktion auf dieses Vakuum entstanden Illustrationen in literarischen oder wissenschaftlichen Texten, künstlerische Bildwerke, Dioramen und Rekonstruktionen für Weltausstellungen oder Museen und nicht zuletzt die ersten Stummfilme. All diese Medien füllten die Leerstelle und schlugen eine Brücke zu den Vorfahren, indem sie – vermeintlich – die Lebensbedingungen prähistorischer Men-schen zur Anschauung brachten.

Vor diesem Hintergrund kann die intensive Auseinandersetzung mit den Vorfahren des modernen Menschen, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert einen ersten Höhepunkt erreichte und sich bis heute fortsetzt, von Beginn an als der Versuch einer stetigen Annäherung in Bildern verstanden werden. Doch je stärker sich die Akteure dieses Diskurses darum bemühten, objektive Schilderungen bzw. Visualisierungen der Lebensbedingungen prähistorischer Menschen zu erzielen, desto weiter entfernen sie sich von ihrem eigentlichen Untersuchungsgegenstand. Denn sie rekonstruierten keine ehemaligen Realitäten, sondern schufen immerzu Projektionsflächen, die auf viel-schichtige Weise Verschränkungen von Vergangenheit und Gegenwart zur Anschauung bringen. Aufgrund dieser Verschränkungen ist die „Urzeit“ nicht abgeschlossen, sondern permanent gegenwärtig. Rückgriffe auf sie erfüllen stets gesellschaftliche Funktionen. Dazu gehört die Legitimation sozialer Konzepte, beispielsweise des bürgerlichen Geschlechter- und Familienmodells, dessen „Ursprünglichkeit“ bzw. „Natürlichkeit“ behauptet wird, oder auch Selbstaffirmation durch die Veranderung („othering“) der Urmenschen.

Ziel des Workshops ist es, mit der Bildgeschichte des Urmenschen das Phänomen der Gegenwärtigkeit der Urzeit für den Zeitraum vom 19. bis ins frühe 20. Jahrhundert auszuleuchten. Konkret sollen dafür Visionen prähistorischen Lebens in ihren unterschiedlichen Facetten adressiert werden. Ein wichtiges Thema wird in diesem Zusammenhang die „Eigenmacht“ der Bilder sein, die den Diskurs nie passiv begleiteten, sondern immerzu aktiv mitgestalteten. Auch die Frage nach ikonischen Bildern und ihre Traditionslinien wird zu stellen sein. Des Weiteren sind die vielschichtigen Abhängigkeiten der Bilder von den aktuellen wissenschaftlichen Kenntnissen und Theorien, von den jeweils gültigen gesellschaftlichen Konventionen und nicht zuletzt von weltanschaulichen Konzepten von Interesse. Zu Letzteren gehören Vorstellungen vom Ur- und Naturzustand, in dem die Urmenschen verortet werden, und der deshalb die seit dem 19. Jahrhundert so virulente Frage zu beantworten scheint: „Woher kommen wir?“ Die Antwort auf diese Frage – so die leitende Prämisse des Workshops – ist deshalb so elementar, weil sie immer eng verbunden ist mit der Bestandsaufnahme „Wer sind wir?“ bzw. der Zukunftsvision „Wohin gehen wir“. Wie diese Fragen heute beantwortet werden, hat eine Vorgeschichte, zu der die Bildgeschichte des Urmenschen im 19. und frühen 20. Jahrhundert einen Zugang eröffnet.

Vorstellbar wären Beiträge zu:

  • Welche Vorstellungen vom urzeitlichen Leben formieren sich in den Medien der damaligen Forschung (Texte, Bilder, Skulpturen, Dioramen, Filme etc.)?
  • Wie ist es um die Materialität dieser Medien bestellt? Inwiefern trägt sie dazu bei, dass sich Authentizität und Glaubwürdigkeit einstellen?
  • Spiegeln sich Projektionen, z.B. zeitgenössische Rollenbilder, in den Darstellungen des Urmenschen?
  • Zur Ikonographie der Darstellungstraditionen des Urmenschen: Wie wandern die verschiedenen Motive? Wie werden die Darstellungen tradiert? Das heißt: Wo tauchen ikonische Darstellungen zum ersten Mal auf, wann und von wem werden sie wieder übernommen, welche Attribute werden verwendet?
  • Wie beeinflussen Ideen über den Ursprung der Menschheit die Bilder vom Urmenschen?
  • Wie – und vor allem von wem – wurden/werden Bilder vom Urmenschen erstellt?


Beitragsvorschläge aus allen Disziplinen sind willkommen! Abstracts von ca. 1 Seite Länge werden bis zum 15.03.2020 erbeten an:
brigitte.roeder@unibas.ch und jutta.teutenberg@gmail.com.

Unterkunft und Verpflegung werden übernommen.

Kontakt:
brigitte.roeder@unibas.ch / jutta.teutenberg@gmail.com

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